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DDR- Monumentalkunst - am Hansering in Halle

Einst Vorzeigekunstwerk der DDR, verzeichnet in jedem Reiseführer - heute umstritten, angefeindet und knapp dem Abriß entgangen: die "Flamme der Revolution" am Hansering in Halle.

Errichtet wurde das in den Gesamtkomplex eingebettete Monument 1967 zum 50. Jahrestag der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution. Auftraggeber war die politische Führung des Bezirkes und der Rat der Stadt Halle. Das Fahnenmonument, welches als Großprojekt galt, war republikweit von Bedeutung, auf höchster Ebene angebunden und wurde inhaltlich dementsprechend reglementiert.

Rot, 24 Meter hoch und aus hyperboloiden Schalen errichtet, mutet die kolossale Betonplastik an wie eine sich entrollende Fahne. Ihr Schöpfer, Leiter des damaligen Erbauerkollektivs, Siegbert Fliegel hatte jedoch eine komplexere Symbolik vor Augen, als er sich mit der Plastik beschäftigte. Fliegel, der von 1966-1970 Stellvertretender Chefarchitekt von Halle-Neustadt war, suchte ein Adäquat zum technischen Bauen und dem immanenten Fortschrittsgedanken, der das sozialistische Weltbild prägte.

In einem Interview vom Mai 1996 führt Fliegel aus: Es sollte eine saubere Figur sein, eine reine weiße Form, eine Zementform. An eine Farbigkeit war nie gedacht. Vorbild waren ihm das Modell von Tatlins spiralförmigem Turm für die III. Internationale (1919/20) und das Weimarer Märzgefallenendenkmal von Walter Gropius (1923). Fliegel, so die Selbstaussagen der Nachwendezeit, empfand die Reduktion des Objekts auf den Inhalt "Fahne" immer als banal und hatte versucht, durch den offiziellen Titel "Flamme der Revolution" gedanklichen Spielraum zu gewinnen.

Die Fahne war damals eine ingenieurtechnische Leistung, obwohl sie letztendlich nur einen Kompromiß darstellt. Die ursprüngliche Idee das Monument in Kupfer herzustellen scheiterte an zu großen Unbekannten bei der Berechnung von Standfestigkeit und Windmessungen.

Die entstandene Betonplastik ist die erste freistehende Wandschale der DDR. Die statischen Berechnungen wurden von Oberingenieur Herbert Müller ausgeführt. Dieser hatte sich durch seine dem Steg eines Gummibaums nachempfundene hyperboloide Technik des Betonschalenbaus in der DDR einen Namen gemacht. Mit dieser Technik wurde es möglich belastbare Strukturen unter minimalem Einsatz an Material herzustellen.

Das Objekt Fahne besteht aus 10 Betonteilen, die im Betonwerk Merseburg vorgefertigt, an Ort und Stelle aneinander montiert wurden. Das Gewicht der Einzelteile liegt zwischen 4,5 und 12 Tonnen. Die Skulptur läuft in einer gewaltigen monolithen Kragenplatte aus.

Seine Vorstellungen von der Farbigkeit des Objekts konnte Fliegel nicht gegen die Auftraggeber durchsetzen. - "Halle könne nicht die weiße Fahne hissen" - so der Kommentar Horst Sindermanns, des damaligen Vorsitzenden der SED-Bezirksleitung.

Da Weiß nicht erwünscht war sollten nun die Farben des Feuers in der Gestaltung zum tragen kommen. Der Maler Gottfried Schüler legte einen Entwurf vor. Farbflächen und Lineaturen in den Farben der Flamme, ein kubistisches Muster, welches von Gelb oberhalb des Sockels immer mehr in Rot überging. Als Vorbild für die Farbgestaltung führt Fliegel die farbigen Plastiken Mario Marinis an.

Schülers Entwurf wurde realisiert, mußte jedoch in der Nacht vor der Einweihung teilweise verändert werden. Grund dafür war die Angst der Parteileitung, daß die gelben Lineaturen als die Blitze der Sozialdemokratischen Fahne verstanden werden könnten. Ein anderer Beweggrund war der Eindruck der Fahne des Klassenfeindes, da dem dunklen Sockel eine mehr oder weniger gelbe, rote Fläche folgte. Die gelben Farbflächen mußten gerötet werden, was nicht nur das gesamte Farbkonzept vernichtete sondern dem Objekt eine unheimlich kompakte, klotzige Wirkung verlieh. Nach zwei Jahren mußte der gesamte Anstrich erneuert werden. Man entschied sich nun für unmißverständliches Rot.

Die Plastik wurde in eine Mahn- und Feierstätte eingebunden und vor einer Rustika-Wand aufgestellt, die als Ehrenwand bei Kranzniederlegungen diente. An dieser prangt in Metallettern das Johannes R. Becher-Zitat: Unser Leben erhalten und schöner gestalten. Der Sockel der Plastik steht in einem Wasserbecken, über dessen Brücke man die Ehrenwand erreichen konnte. Dieses Ambiente und der mit Platten ausgelegte Demonstrationsplatz wurden besonders für Standdemonstrationen zur Ehrung der Opfer des Faschismus, zu Vereidigungen und verschiedenen anderen Feierlichkeiten innerhalb des sozialistischen Jahreskreises genutzt.

Nach 1989 begann auch für das Fahnenmonument eine neue Geschichte. Silvester 1989 waren die ersten reformerischen Parolen an der Fahne zu lesen. In der Folge wurde die Fahne Schauplatz der sogenannten Montagsdemos. Im Dezember 1994 bekam die Telekom die Baugenehmigung für ihre neue Telefon-Schaltzentrale. Da der Neubau in unmittelbarer Nachbarschaft zum Fahnenmonument steht, stellte der Medienkonzern einen Antrag auf Abriß der "Flamme der Revolution" und erbot sich, die Kosten für den Abriß zu übernehmen. Damit brachte er die Stadt Halle in Zugzwang, eine längst überfällige Entscheidung bezüglich dieses Objekts zu treffen, da an das Geld ein Termin gebunden war. Es entspann sich eine Diskussions-Odyssee um Abriß und Erhaltung. Und es erwies sich, daß die politische Brisanz des Objekts und die Unsicherheit im Umgang mit der jüngsten Geschichte und ihren Symbolen eine Entscheidung sehr erschwerte. Nachdem das Objekt und dem Abriß sehr nahe war lehnte der Stadtrat am 20. November 1996 den Antrag der FDP-Fraktion ab, die den Abriß des Monuments gefordert hatte.

Der jetzige Bestand ist stark angegriffen, der Gesamtkomplex in seiner Monumentalität nicht mehr wahrnehmbar. Ein Telekom-Neubau bedrängt das Monument geradezu, da er nur wenige Meter neben ihm errichtet wurde. Der Neubau hatte auch zur Folge, daß das Wasserbecken und die Ehrenwand zerstört wurden. Standsicherheit?

Ein Versuch, die Plastik durch Bemalen zu verschönern, wirkt halbherzig und unterstreicht den Eindruck der Konzeptlosigkeit angesichts dieser Monumentalplastik.

Claudia Hofmann

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