Mosaiksteine, Klub7

Seit mehr als zehn Jahren existiert Klub7. Erklärtermaßen hervorgegangen aus einer Crew in der Graffitiszene in Halle an der Saale, hat die aus sechs Mitgliedern bestehende Gruppe eine erstaunliche Entwicklung durchlebt. Mittlerweile alle über dreißig, entwickeln die fünf Männer und eine Frau ein facettenreiches Spektrum an Aktivitäten, das das gemeinsame Writing hinter sich lässt, ohne dabei diese Wurzel zu verleugnen.

My Name in lights

Man sollte keineswegs unterschätzen, wie wichtig nicht nur für Writer der Name ist: die Namensgebung hat sich als Branding zu einem verschärften Markt entwickelt, der weit über die Firmenlogos der Jugendmode hinaus Bedeutung hat. Spezialisierte Agenturen konkurrieren um teure Aufträge. Das ist nicht grundlos so. Fußbälle wie Telstar, Tango, Jabulani, Teamgeist oder Torfabrik fliegen nicht nur jeweils anders. Mit ihnen verbindet sich ein je unterschiedliches Modell sportlicher Sozialisation. Keinen sollte daher wundern wie viele Crews, wie viele Namen die Writerszene hervorgebracht hat. „Klub7“: das ermöglicht jedoch eine Unterscheidung, weil er an ein offenes Modell denken lässt. Was ist ein Klub mit K genau? Ein Lokal im offensichtlich deutschsprachigen Raum oder eher doch die diskrete Gesellschaft, zu der man gerne Zugang findet, um gemeinsamen Hobbys nach zu gehen oder sich schlichtweg wohl zu fühlen? Auch die Zahl ist nicht so klar einzunorden. Die Graffitihistorie kennt die „Fab Five“ oder die Angabe der New Yorker Straßennummer hinter dem Writernamen. Die sieben Samurai, Schwaben oder Zwerge waren wirklich zu siebt und leiteten ihren Namen so ab. Die Zuordnungszahl in dynastisch beliebten Namen (oder einer Emailadresse) greift auf die niedrigste verfügbare Zahl zu. Die Benennung „Klub7“ bleibt dagegen wohltuend kryptisch. In der Kombination signalisiert diese eigentümliche Marke, dass hier etwas richtig ist, ohne dass man gleich wissen kann was.

Design/Handschrift

Mit zunehmend globalisiert produzierten und gestalteten Waren hat sich der Diskurs um die individuelle Auszeichnung dieser Produkte intensiviert. Nicht wenige Designer machen sich Gedanken um die Erhöhung des handschriftlichen und handwerklichen Anteils an gestalterischen Prozessen1. Dazu gehören Bedenken gegen einen schon durch die Verwendung entsprechender Computertools nivellierten Entwurfsgang und entsprechend gegen voraussehbare Ergebnisse. Infrage gestellt wird auch das verdächtig Mühelose dieser Vorgehensweise und was dabei auf der Strecke bleibt. „Das Einfache, das schwer zu schaffen ist“ - dieses Brechtsche Ideal setzt ein natürlich und daher eher langsam gewachsenes Bewusstsein für Gestaltungsprozesse voraus. Dabei bleibt – frei nach Richard Sennett2 - die Hand ein wichtiges Organ der Erkundung. Eine multiple Handschrift, wie sie die Gestaltungen von Klub7 vorführen, kann dabei etwas von der spielerischen Auseinandersetzung um solche Entstehungsprozesse zeigen. Und gleichzeitig verschränken sich sichtbar unterschiedliche Ansätze zu einer Lösung, die über ein optimiert glattes Design hinausgeht und mehr ist als die Summe ihrer Bestandteile. Bei alledem darf und soll man sehen, was dazu beiträgt: die Liebe zum ausformulierten Detail, zur Beschäftigung auch mit den aufwändigeren und komplizierteren Fragestellungen der Gestaltung.

Lebensgefühl: Urban art

Gerne beschwören Texte speziell der Kunstvermittlung atmosphärische Elemente der zu verhandelnden Arbeiten. Und gleichzeitig bleibt oft unklar, worin diese Atmosphäre (hier verstanden als Faktoren, die über das allgemein Fassbare hinausgehen) begründet liegt. Die unter glücklichen Sternen stehende Konstellation der Handelnden, das besondere Flair einer urbanen Umgebung, die Zeit, die einfach vollreif ist: alles das mag man - richtig, aber folgenlos - auch für Klub7 ins Feld führen. Erfolgversprechender ist hier, das Augenmerk auf Elemente zu richten, in denen sich Atmosphärisches materialisiert. Einer dieser Punkte ist die eigentümliche Dynamik der Bildwelten von Klub7. Was sich in den Bildern bewegt und wie sich das vollzieht, kann vor Augen führen, wo diese spezielle Bildwelt herrührt und deshalb auch ihre Heimat findet. Diese Bewegung vollzieht sich dabei keineswegs immer besonders dramatisch. Sie kann eine reflektierende Kategorie sein wie sie der tiefschichtig registrierende Blick von Walter Benjamins Spaziergänger im Passagenwerk vorführt. Oder eine Wave-Ästhetik zugrunde legen: If You dance, You might understand the words better, sagte David Byrne bei einem Konzert an.

Natürlich gibt es daneben klassisch beschreibbare Elemente. Die häufigen Diagonalkompositionen schaffen Dynamik, die dosiert eingesetzte Farbe vermittelt Stimmungswerte. Und schließlich finden Idee, Bild, Musik, Kleidung, Wortwahl und Event zum Ausdruck eines Lebensgefühls zusammen, das in Bewegung zusammenfließt. Diese Bewegung lässt auch an Chaostheorie und Entropie denken. Immerhin entsteht sie in einem sorgfältig eingespielten Mit- und Nebeneinander. Der Vergleich mit den immer knapper werdenden visuellen Freiflächen der Street-Art-Metropole Berlin ist (und seine Entsprechung in der mitunter fast schon verzweifelten Platzausnutzung von Street-Art-Publikationen) aufschlussreich. Während dort ein erbittert geführter Kampf um die letzten Kontingente an visueller Aufmerksamkeit entbrannt ist, zeigen die Gestaltungen von Klub7, dass eine visuelle Choreografie einzelner Individuen in enger Tuchfühlung miteinander solche Flächen beleben kann und nicht als abgefrühstücktes Büffet enden muss oder gar ein Schlachtfeld mit entsprechenden Altlasten hinterlässt.

Terroir

Nicht umsonst haben viele Bildwelten von Klub7 eine rhizomatische Struktur. Wie das als Bild für gedankliche Vorgänge viel genutzte Wurzelwerk vernetzen sich die Handschriften, Medien, und individuell spürbaren Positionen. Das hat auch räumliche Analogien: Aus der vertrauten Stadt und Graffiti-Szene in Halle an der Saale heraus hat sich die Gruppe allmählich ein immer weiter ausgreifendes Netzwerk aus Personen erschlossen. Dabei ist Berlin als Schmelztiegel und Hot Spot aktueller Kunst eine neue Heimat geworden, die ebenso fördert wie fordert. Ganz explizit sind es für Klub7 auch die Oberflächen des eigenen urbanen Wohn- und Arbeitsumfeldes, die ein grundlegender Nährboden dieses Netzwerkes sind. Dabei stimulieren die verbliebenen Wände, ihr verlebter und teilweise ruinöser Zustand das Liebesverhältnis zur Umgebung, fordern die Imagination heraus. Natürlich ist das eine viele Epochen übergreifende Konstante künstlerischer Arbeit, spätestens seit Leonardo das auch theoretisch formulierte. Es bleibt dennoch eine stets in ihrer eigenen Zeit zu aktualisierende Nähe zu solchen Wänden, die man durchaus romantisch nennen darf.

Kreidezeit: ein politischer Exkurs

Dass Klub7 Kreide verwendet, mag auf den ersten Blick als eine überschlaue Strategie gebrannter Kinder wirken. Schließlich haben sich mit den immer schärfer gewordenen Überwachungs- und Bestrafungsszenarien und etlichen Kampagnen gegen die Attraktivität von Graffiti neben der Zunahme von Tags vor allem Medien wie Poster, Sticker und Schablonen prächtig entwickelt. Offizielle Werbekampagnen, die eine eventuell einklagbare Beseitigung einrechnen, nutzen Kreidespray: das sieht angenehm nach Subversion aus und ist dennoch strafrechtlich folgenlos. Klub7 hat aus anderen Gründen verschiedentlich Kreide genutzt, um damit Wand und Boden zu bearbeiten. Zunächst steht das als besonders einfaches Zeichen- und Malmittel für die spontane künstlerische Interaktion leicht zur Verfügung. Die Frage, ob das erlaubt ist, wird auf der Straße nicht sofort verneint, und möglicherweise brauchen sie auch nicht unbedingt den Reiz des Verbotenen. Unpolitisch ist diese Verwendung jedoch kaum. Häufiger involvieren diese Aktionen Kinder und auch erwachsenes Publikum ins zeichnerische Jam und verbreitern so die Basis für Graffiti als öffentlich akzeptierbare Handlung. Nicht zuletzt haben sie sogar als Giveaways an das Publikum ausgereicht. Damit führen sie eine seit Bestehen der Gruppe wichtiges Anliegen weiter: Workshops, die sich der Vermittlung gestalterischer Fähigkeiten widmet und vor allem die Wahrnehmung des öffentlichen Raums und seiner Potentiale fördern. „Volksvermögen“ nannte Peter Rühmkorff dieses ebenso verbreitete wie wenig geförderte Talent.

Gewinnerzielungsabsicht

Dass eine ehemalige Crew aus Writern als veritable Firma endet, ist zwar nicht der Regelfall, aber auch keineswegs völlig ausgeschlossen. Das Zusammenfließen verschiedenartiger Medien und Fähigkeiten macht Klub7 dennoch zu einem besonderen Fall. Das Spektrum der Aufträge oder anderer professioneller Involvierungen reicht von der klassischen Wandgestaltung über Eventdesign bis hin zu klar definierten grafischen Arbeiten, von Visuells für didaktische Aufgaben bis zum Produktdesign von Kleidung und Lifestyle-Accessoires. Dass man auch eine eigene Edding-Edition herausgebracht hat, ist manchem in der mitunter orthodoxen Graffitiwelt zuviel gewesen. Gleichzeitig taucht die Crew immer wieder in Kunstausstellungen auf. Möglicherweise hat diese künstlerische Existenz ausschließlich als Gruppe dort bislang einigermaßen erfolgreich verhindert, dass jener oft exklusive Flair von Kunst auftaucht, der eine große Anzahl des potentiellen Publikums ausgrenzt.

Eine solche Existenzweise ist dennoch ein Wagnis. Modelle für eine Start-up-Firma, die ein derart übergreifendes Tätigkeitsfeld meistert und damit Erfolg hat, gibt es bislang kaum. Gerade im künstlerischen Bereich haben sich ehemalige Gruppen später oft in Individuen aufgelöst, die spezialisierte Funktionen zur professionellen Basis machen, als Künstler, Kurator oder Galerist etwa. Andererseits zeigt ein Seitenblick auf Architekten, die Medien- oder Werbebranche deutlich, dass dort integrale Gestaltungsangebote von Gruppen und Büros durchaus angemessen auf einen sich ändernden Markt reagieren. „WE ARE FREE ARTISTS. OUTSIDE“ hat Stak an die Galeriefenster geschrieben, lesbar von innen und mit deutlichen Vorbehalten gegenüber dem Begriff „Street Artist“3. Was im Wirtschaftsjuristisch „Gewinnerzielungsabsicht“ heißt, markiert hier - gesellschaftlich verstanden - eine eigene Bedeutung und Ambition, die für Klub7 hoffen lässt. Zu Zeiten der Post Street Art steht Klub7 und seine Mitglieder für ein ergebnisoffenes und auch zeitlich noch nicht festgelegtes Modell, wie sich künstlerische Tätigkeit und gesellschaftliche Funktion wechselseitig neu dynamisieren können.

Johannes Stahl

1Sandra Alfoldy (Ed.): Neo Craft. Modernity and the Craft. Halifax 2007.

2Richard Sennett: Handwerk. Berlin 2008; amerikanische Originalausgabe The Craftsman, New Haven 2008.

3Christian Hundertmark: The Art of the Rebellion, Mainaschaff 2003, S. 61.