Marianne Pitzen

Die Bonner Künstlerin Marianne Pitzen verbindet in ihrer Person verschiedene Aspekte von Kunst mit der erklärten Absicht, die Situation von Frauen in der Gesellschaft zu verbessern. Für die Umsetzung dieses Ziels benutzt die bildende Künstlerin in der Hauptsache Papier: zunächst entstehen in den frühen siebziger Jahren Temperabilder, später dann Stadtmodelle aus Pappmaché. Die Architektur hat stets eine besondere Rolle in ihren Arbeiten inne. Starke Farben und organische Strukturen prägen die städtischen Gebilde, die Frauen eine angemessene Rolle einräumen. Seit den achtziger Jahren schafft Marianne Pitzen vor allem lebensgroße Papierfiguren von Frauengestalten, beispielsweise Matronen - jenen Schutzgöttinnen, die in keltischen Zeiten verehrt wurden. In Ausstellungen arrangiert sie diese zu versammlungsartigen Mengen, die den Raum mit ihrer Anwesenheit und ihrer Thematik füllen.

Frauenspezifisches schwingt auch in der Gestaltung der Arbeiten mit. Die Farbgebung räumt den Tönen zwischen Pink und Lila einen breiten Raum ein. Ihr gesellschaftliches Anliegen formulieren die Arbeiten auf eine leichte Weise, ohne es jedoch an Deutlichkeit fehlen lassen. Schließlich ist Ironie auch den eigenen Bundesgenossinnen und sich selbst gegenüber ein häufig verwendetes Mittel in Marianne Pitzens Kunst. Neben der bildnerischen Arbeit entstehen Texte, die deren Impulse auch im Literarischen weiterführen. Ein zweiter Aspekt in Marianne Pitzens Arbeit ist eine Besonderheit: 1981 gründete sie im Bonner Norden das Frauen Museum, einen Kunstort, der in seiner Konzeption das Sammeln, das Produzieren und das Ausstellen von Kunst vereint. Im Laufe der Zeit hat sich diese von sehr viel Eigeninitiative getragene Institution auch international einen Namen gemacht und gilt als wichtiger Ort, wo es um die Kunst von Frauen und gesellschaftliche Aspekte der Frauenrollen geht.

Die Artothek im Bonner Kunstverein verfügt über zwei Arbeiten von Marianne Pitzen. In Fotografien führt sie Aspekte ihres Entwurfs für eine "Stadt der Frauen" vor. Auf einer schneckenhausartigen Hügelanlage sind die üblichen Funktionen einer Stadt angeordnet. Aber anders als bei einem im normalen Planungsablauf entstandenen Stadtentwurf zu erwarten wäre, wächst ihre Stadt eher wie ein Lebewesen zu einem ungeordneten Gebilde heran. Bunte Farben betonen nicht die elementare Schwere des Steins, sondern setzen ihre Akzente auf das Bildhafte des städtischen Gefüges. In der Bemalung des Pappmachémodells sind Beschriftungen enthalten, die Aufschluß geben über das, was jeweils geplant ist. Das Baubüro, das Café, das Haus der Dichterin sind ebenso anzutreffen wie die "Erfrischungen Erna F." Was zunächst aber verspielt wirken mag, hat auch sehr realpolitische Seiten: "Rechts-Hilfe" ist ebenfalls in der Frauenstadt nötig, "Psycho" ist auf einem anderen Gebäude zu lesen. Ein utopischer Entwurf für eine Stadt, in der es gerechter zugeht für Frauen, verweist auf die vielen ungelösten heutigen Probleme - und kann sie auch für die Zukunft nicht völlig ausschließen.

Johannes Stahl, 6/92

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