Maik + Dirk Löbbert

"Blick für die Situation": lakonisch und präzise wie auch ihre Kunst es ist, charakterisieren Maik und Dirk Löbbert das Wesentliche ihrer Arbeit. Fotos, die der Realität mit grafischer Folie zu mehr Form verhelfen, vor allem aber ihre einfachen und wirksamen Eingriffe in Orte, haben ein wachsendes Publikum für die Brüder aufmerksam gemacht. Ihre ruhige, zeitintensive Arbeitsweise setzt an einfachen und alltäglichen optischen Elementen an, oft unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Hier entstehen für die Löbberts Fragestellungen - und diese verblüffen den Betrachter ihrer Arbeiten immer wieder, wo er doch vorher die gleiche Möglichkeit hatte, hinzusehen, sich optisch und inhaltlich Zugang zu verschaffen.

Warum hat ein Turm genau diese Höhe, ist die Tunnelöffnung wirklich rund, was ist das Signifikante an der jeweiligen Umgebung? Denkbar einfach sind in der Regel die Konsequenzen, die Maik + Dirk Löbbert aus ihrem Eingehen auf die Situation ziehen. Sie ordnen die vorgefundenen Verhältnisse durch kleine, nachvollziehbare Zutaten neu - bringen damit aber auch das vormals funktional bestimmte Design der jeweiligen Umgebung auf den Prüfstand. Ein außen am Krankenhaus aus einer Wand herausragendes massives rotes Kreuz, das innen noch als roter Mauervorsprung sichtbar ist, ein aus Wasser entstandener Kreis auf einer belebten Kreuzung in Florenz; ein ungemäht bleibendes rechteckiges Rasenstück, das sich über die Grenze zweier benachbarter Gärten hinweg zusammenschließt: meist sind es einfach angelegte geometrisch-räumliche Zeichen, die Löbberts ins Stadtbild einmischen. Und in der Regel beziehen diese einfachen Bildformen erst aus ihrer Zwiesprache mit der Situation die spezifische Würze: das Rote Kreuz als plötzlich materielle gewordenes Symbolzeichen, der Wasser-Kreis auf der Straßen-Kreuzung, das Rasenstück als optische Bindung zwischen juristisch Getrenntem.

Nicht selten wird den Löbberts trockener Humor, Mutterwitz oder gar sanfte Ironie bescheinigt. Für die beiden in Köln lebenden Brüder ist dieses Element ihrer Arbeit gewiß wichtig, aber wohl kaum zentral. Letztlich entsteht vieles Witzige erst durch die Diskrepanz zur Umwelt, in der die Absurdheit schon angelegt ist, welche die Arbeiten dann treffsicher zutage fördern. Möglicherweise ist die Gründlichkeit, mit der Maik + Dirk Löbbert ihrer Umgebung auf den Grund gehen, der beste Garant dafür, daß die fertige Arbeit auch lachen lassen kann.

Vieles, was für die Brüder charakteristisch ist, läßt die "Öffnung" im ersten Obergeschoß des Bonner Kunstvereins ablesen. Nach drei vorbereiteten und von den beiden wieder verworfenen Beiträgen zur Ausstellung "mitteln. raum vor ort" (1997) ließen die Künstler ein genau bildgroßes Loch in die Wand stemmen. Als formatgleiche Unterbrechung der dort üblicherweise hängenden engen Bildergalerie der Artothek lassen sie einen Ausblick in die darunter befindlichen großzügigen Räume des Kunstvereins zu. Sie verbinden die zwei Teilinstitutionen des Bonner Kunstverein räumlich und inhaltlich: als praktischer Ausguck von oben und merkwürdige Wandöffnung von unten, als Erweiterung des eng begrenzten Bildbegriffs den die praktischen Vorgaben des Verleihens nötig machen, und als Verkündigungskanzel im weitgehend leeren Raum der großen Ausstellungshalle für die Perspektive der aktuellen Ausstellungen.

Ihr Foto "Gallerie Firenze", eine Version, die als Jahresgabe für den Bonner Kunstverein im kleineren Format aufgelegt ist, läßt besonders charakteristisch Merkmale für die fotografischen Arbeiten der Löbberts aufblitzen: Geradlinig aufgenommen, legt das Bild eines Tunnels in schwarz-weiß eine Allerweltssituation zugrunde. Erst eine kleine Halbkreisfläche aus schwarzer Folie, an der richtigen Stelle aufgeklebt, läßt ein optisches Mysterium entstehen: was ist eigentlich ein Tunnel?

Johannes Stahl, 8/2000

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